Dienstag, 24. Oktober 2017

Letzte Exerzitien. - Hl. Elisabeth v.d. hlgs. Dreifaltigkeit (3/17) - Zweiter Tag

„Meine Seele ist allezeit in meinen Händen“ (Ps 118,109). Das war der Gesang, der in der Seele meines Meisters ertönte, und darum blieb er unter allen Ängsten und Qualen der Ruhige, der Starke. „Meine Seele ist allezeit in meinen Händen.“ Was bedeutet das anderes als den vollen Besitz seiner selbst angesichts des sanftmütigen Jesus. Noch einen anderen Gesang Christi möchte ich unaufhörlich wiederholen: „Meine Stärke will ich bei dir bewahren.“ (Ps 58,10)

Meine Regel sagt mir: „Im Schweigen wird eure Kraft bestehen.“ Beim Herrn seine Kraft verwahren, d. h. sein ganzes Wesen zur Einheit bringen durch das innere Schweigen, alle seine Seelenkräfte sammeln, um sie einzig mit der Übung der Liebe zu beschäftigen, d. h. auch jenes einfache Auge haben, das dem göttlichen Licht gestattet, uns zu erleuchten. Eine Seele, die mit ihrem Ich verhandelt und sich mit ihrer Empfindlichkeit beschäftigt, die sich mit einem unnützen Gedanken oder Wunsch abgibt, zersplittert ihre Kraft und ist nicht ganz auf Gott hingeordnet. Der Ton ihrer Leier ist nicht rein, und wenn der göttliche Meister sie berührt, kann er ihr keine göttlichen Harmonien entlocken. Es ist noch zu viel Menschliches vorhanden und das erzeugt den Missklang.

Die Seele, die sich im Reich ihres Innern noch etwas vorbehält, deren Kräfte nicht alle in Gott eingeschlossen sind, kann nicht ein vollkommenes „Lob seiner Herrlichkeit“ sein. Sie vermag noch nicht ohne Unterbrechung das Canticum magnum (das Hohelied) zu singen, weil die Einheit in ihr noch nicht dauernd ist. Anstatt durch alles unbehindert, einfältig ihr Loblied zu singen, ist sie beständig genötigt, die abgerissenen, zerstreuten Saiten ihres Instrumentes wieder anzuknüpfen. Wie sehr bedarf dieser inneren Einheit eine Seele, die schon hienieden das Leben der Seligen, d. h. einfacher, geistiger Wesen führen will. Gab unser göttlicher Meister dies nicht Magdalena zu verstehen, als er vom einen Notwendigen sprach? x

Wie hatte die große Heilige das verstanden! Im Licht des Glaubens hatte sie ihren Gott unter dem Schleier der Menschheit erkannt; im Schweigen horchte sie auf die Worte, die er zu ihr sprach. Da konnte sie frohlocken: ,Meine Seele ist allzeit in meinen Händen!' und leise hinzufügen: ,nescivi!'

Ja, sie wusste nur mehr um ihn. Wenn Lärm und Aufregung sie umgaben: „nescivi!“, wenn man sie anklagte: „nescivi!“ Weder die äußeren Dinge, noch die Sorge um ihre Ehre konnten sie ihrem heiligen Schweigen entreißen.

So auch die Seele, die in die Burg der heiligen Sammlung eingetreten ist. Mit ihrem, den Klarheiten des Glaubens, geöffneten Auge erschaut sie Gott, in sich selbst lebendig gegenwärtig. Nun mögen der Andrang von außen, die Stürme im Innern kommen; mag man ihre Ehre angreifen: „nescivi!“ Wenn Gott sich verbirgt und ihr seine fühlbare Gnade entzieht: „nescivi!“ „Um seiner Liebe willen“, ruft sie aus, „habe ich auf alles verzichtet“ (Phil 3,8).

Von nun an ist der göttliche Meister frei, sich nach seinem Maß zu ergießen und zu geben. So eins geworden mit ihm, wird die Seele zum Thron des Unveränderlichen; denn die Einheit ist der Ehrensitz der heiligsten Dreifaltigkeit.

x [Gemeint ist Maria von Bethanien, die Schwester von Martha und Lazarus, welche früher auch mit Maria Magdalena gleichgesetzt wurde. Heute wird allgemein diese Gleichsetzung berechtigterweise nicht mehr vertreten. Die angesprochene Stelle findet sich bei Lk 10,38 ff.]


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